Newsletter April 2024

Herausgegeben von Bohnet F., Carron B., Eggler M. und Varin S., mit der Teilnahme von Bruchez L.


BGer 2C_196/2023 vom 7. Februar 2024

Öffentliche Beschaffungswesen; Beschwerdelegitimation von Berufsverbänden; Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung; Art. 83, 89 BGG; 64 INÖB

Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (Art. 83 Bst. f BGG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 1.2 und 1.3.1). Das BGer hat sich noch nie zur Möglichkeit von Berufsverbänden geäussert, gegen Entscheide über die Vergabe öffentlicher Aufträge und insbesondere gegen freihändige Vergaben zu Beschwerde zu ergreifen. Bisher war es nur mit eigennützigen Verbandsbeschwerden befasst, die sich direkt gegen kantonale Erlasse richteten. Darüber hinaus stellt das BGer fest, dass die Frage umstritten ist und in den verschiedenen kantonalen Rechtsprechungen nicht einheitlich entschieden wird. Angesichts der entstandenen Rechtsunsicherheit ist es gerechtfertigt, davon auszugehen, dass der vorliegende Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwirft (E. 1.3.2).

Beschwerdelegitimation (Art. 89 BGG) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1). Im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens beschränkt sich der Kreis der zur Beschwerde gegen einen Vergabeentscheid berechtigten Unternehmen grundsätzlich auf diejenigen, die bei Gutheissung der Beschwerde noch eine Chance haben, den umstrittenen Auftrag zu erhalten, bzw. die eine Chance gehabt hätten, ihn zu erhalten, falls bereits ein Vertrag mit dem erfolgreichen Anbieter abgeschlossen wurde. Bei einer freihändigen Vergabe steht die Beschwerdelegitimation in der Regel nur jenen Unternehmen zu, die nachweisen, dass sie potenzielle Anbieter für den fraglichen öffentlichen Auftrag sind, indem sie nicht nur glaubhaft machen, dass sie tatsächlich in der Lage wären, die verlangten Leistungen zu erbringen, sondern auch, dass sie ein Angebot eingereicht hätten, wenn eine Ausschreibung veröffentlicht worden wäre (E. 4.2).

Verbandsbeschwerde – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.4). Im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens wurde stets anerkannt, dass Berufsverbände die gleichen Bedingungen wie jeder andere Verband erfüllen müssen (E. 4.5). Daraus folgt, dass Berufsverbände, die gegen Entscheidungen über freihändige Vergaben Beschwerde einlegen wollen, dies nur tun können, wenn sie glaubhaft machen, dass die Mehrheit oder zumindest eine grosse Anzahl ihrer Mitglieder sowohl geeignet als auch bereit wären, für die betreffenden Aufträge zu bieten. Es handelt sich hierbei um eine kombinierte Anwendung der Regeln, die einerseits die Beschwerdebefugnis von Verbänden und andererseits die Beschwerdebefugnis im öffentlichen Beschaffungswesen regeln (E. 4.6). Diese Anforderungen wurden zudem im neuen Recht über das öffentliche Beschaffungswesen kodifiziert, das in diesem Fall nicht anwendbar ist (vgl. Art. 64 Abs. 1 IVöB).

Im vorliegenden Fall haben die beschwerdeführenden Berufsverbände im Laufe des Verfahrens nie erklärt oder gar glaubhaft gemacht, dass eine Mehrheit oder zumindest ein grosser Teil ihrer Mitglieder konkret an den von ihnen beanstandeten Verträgen interessiert gewesen wäre. Die blosse Tatsache, dass sich die interessierten Verbände aus Architekten, Ingenieuren und Bauunternehmern zusammensetzen, reicht in dieser Hinsicht nicht aus (E. 4.6). Im Bereich des öffentlichen Beschaffungswesens besteht die Rolle eines Berufsverbandes weniger darin, einzelne Vergaben anzugreifen, sondern vielmehr darin, mögliche neue gesetzliche Normen anzufechten, die im Vorfeld verabschiedet wurden und die Interessen seiner Mitglieder beeinträchtigen könnten (E. 4.7).

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Öffentliche Beschaffungswesen Verfahren Zur Publikation vorgesehen

Analyse der Rechtsprechung BGer 2C_196/2023

Léonard Bruchez

Avocat, spécialiste FSA en droit de la construction et de l'immobilier

Adjudications de gré à gré : qualité pour recourir des associations professionnelles

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BGer 4A_515/2022 vom 4. Januar 2024

Werkvertrag; Dispositionsgrundsatz; Bestimmung des Schadens; Entschädigung für entgangene Mieteinnahmen; Gutachten; Art. 58 und 187 ZPO

Dispositionsgrundsatz (Art. 58 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.2). Der Unternehmer, der ein Rechtsmittelbegehren einlegt, bei dem er spezifisch fordert, dass ein Betrag von CHF 63’084.74, der von einem solidarisch haftenden Dritten gezahlt wurde, vom ersatzfähigen Schaden abgezogen wird, kann nicht bemängeln, dass das Gericht lediglich diesen Betrag und keinen höheren abgezogen hat (E. 4.3).

Bestimmung des Schadens – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.2). Entschädigung für entgangene Mieteinnahmen – Im vorliegenden Fall macht der Bauherr eine Entschädigung für entgangene Mieteinnahmen geltend, die durch eine 22-monatige Verzögerung der Bauarbeiten infolge des Einsturzes der Fassade des Gebäudes verursacht wurden. Er hatte den Schaden in einem der im Verfahren vorgelegten Schriftstücke selbst berechnet ; der Sachverständige hielt diese Berechnung für akzeptabel, so dass sie von der Vorinstanz übernommen wurde. Da sich der Streit auf die Höhe des Schadens beschränkt, handelt es sich um eine Tatsachenfrage, die das BGer nur unter dem Gesichtspunkt der Willkür überprüft. Im vorliegenden Fall sind die Vorwürfe des Unternehmers nicht geeignet, die Feststellungen des Gutachtens in Frage zu stellen ; der Unternehmer hat auch nicht von seinem Recht Gebrauch gemacht, Erklärungen zu verlangen oder dem Gutachter zusätzliche Fragen zu stellen (Art. 187 Abs. 4 ZPO) (E. 5.4).

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Werkvertrag Verfahren

BGer 4A_191/2023 vom 13. Februar 2024

Werkvertrag; Verhandlungsgrundsatz; Behauptungs- und Bestreitungslast; Beweisführungslast und Recht auf Beweisführung; Art. 55, 152, 221, 317 ZPO

Verhandlungsgrundsatz (Art. 55 ZPO) – Wiederholung der Grundsätze (E. 4.1.2). Behauptungslast und Verweis auf ein Schriftstück (E. 4.1.3), Bestreitungslast (E. 4.1.1). Beweisführungslast und Recht auf Beweisführung (E. 4.1.4).

In diesem spezifischen Fall hat sich der Bauherr bezüglich einem ersten Bauvorhaben mit einem globalen Widerspruch zufriedengegeben, der wie folgt lautete : « Grundsätzlich werden alle Tatsachen, Beweismittel und Schlussfolgerungen im Klageschrift des Klägers von der Beklagten bestritten, es sei denn, sie werden ausdrücklich anerkannt. » Ein solcher allgemeiner Widerspruch genügt jedoch nicht der der Begründungspflicht der Bestreitung der Endabrechnung, die im Verfahren eingereicht wurde und in der die umstrittenen Mehrwerte explizit ausgewiesen waren (E. 5).

Umgekehrt wurden für die zweite strittige Baustelle die « Mehrwerte » nicht geltend gemacht. Um den Betrag zu erhalten, musste man die Endabrechnung der beiden Baustellen, die Kostenvoranschläge der beiden Baustellen und die Mehrwerte der ersten Baustelle abziehen. Damit die Mehrkosten berücksichtigt werden können, reicht es nicht aus, dass das eingereichte Beweisstück die Informationen enthält, sondern es muss auch leicht zugänglich sein und es darf kein Interpretationsspielraum bestehen. Dies ist nicht der Fall, wenn, wie im vorliegenden Fall, das Gericht selbst den Endbetrag der Abrechnung mit einem anderen Aktenstück, nämlich dem ursprünglichen Kostenvoranschlag, vergleichen muss, um daraus zu schließen, dass Mehrwerte erzielt wurden (E. 5.2).

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Werkvertrag Verfahren

BGer 5A_21/2023 vom 7. Februar 2024

Stockwerkeigentum; Vertretung der Stockwerkeigentümer in der Versammlung; Frist für die Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen; Nichtigkeit eines Informationsbeschlusses; Art. 75, 712m, 712p ZGB; 32 OR

Vertretung von Stockwerkeigentümern an der Versammlung – Dass verhinderte Stockwerkeigentümer einen Dritten beauftragen können, sie zu vertreten und weisungsgemäss abzustimmen, entspricht nicht nur einem praktischen Bedürfnis, sondern wird auch aufgrund des in Art. 712p Abs. 1 ZGB verankerten Ausdruck « anwesend oder vertreten » als zulässig erachtet. Der Vertreter kann der Verwalter sein, vorausgesetzt, dass er nicht selbst durch den Punkt der Tagesordnung betroffen ist und dass er nicht frei abstimmen darf, sondern gemäss den Weisungen der vertretenen Eigentümer abstimmen muss. In diesem Fall besteht kein offensichtlicher Interessenkonflikt oder Neutralitätskonflikt. Im Falle einer Vertretung kann die Kenntnis des Inhalts der Beschlüsse und damit der Beginn der Frist zur Anfechtung dieser Beschlüsse den Vertretenen nach Art. 32 Abs. 1 OR zugerechnet werden (E. 4).

Frist für die Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen – Die einmonatige Frist für die Anfechtung von Versammlungsbeschlüssen (Art. 75 i.V.m. Art. 712m Abs. 2 ZGB) ist eine materiellrechtliche Verwirkungsfrist, deren Einhaltung von Amts wegen und nicht nur aufgrund einer Einrede zu prüfen ist. Wenn das Gericht die Schlichtung durchführt und erst bei der Abfassung des Entscheids feststellt, dass die Frist nicht eingehalten wurde, und dann die Anfechtungsklage aus diesem Grund abweist, ohne die Parteien anzuhören, kann der Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör im Berufungsverfahren geheilt werden (E. 5).

Nichtigkeit einer Informationsverfügung – Eine Nichtigkeit kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn eine qualifizierte Unregelmässigkeit vorliegt. Dies ist grundsätzlich der Fall, wenn ein schwerer formeller oder materieller Mangel vorliegt, z. B. wenn die Struktur oder das Rechtsinstitut des Stockwerkeigentums verletzt wird, die Versammlung von einer inkompetenten Person einberufen wird, ein Stockwerkeigentümer absichtlich nicht eingeladen wird oder ihm endgültig jedes Stimmrecht entzogen wird. Wie im Aktienrecht fallen Verletzungen der Informationspflichten grundsätzlich unter das System der Anfechtbarkeit und nicht der Nichtigkeit. In Bezug auf die Verwendung ihrer Pauschalbeiträge haben die Eigentümer gegenüber der Verwaltung ein Recht auf Information und Rechenschaft, das auch gerichtlich durchgesetzt werden kann. Ein Verbot für die Verwaltung durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer, bestimmten Wohnungseigentümern Zugang zu diesen Informationen zu gewähren, verstösst gegen das Gesetz und ist daher anfechtbar. Ein solcher Beschluss ist anfechtbar und nicht nichtig (E. 6).

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Stockwerkeigentum Allgemeiner Teil OR Verfahren

BGer 5A_966/2022 vom 7. Februar 2024

Stockwerkeigentum; Umbau einer Eigentumswohnung; Aufteilung eines Stockwerkanteils; Art. 648, 712d, 712e ZGB; 68 ff. GBV

Umwandlung eines Stockwerkeigentums/Teilung eines Stockwerkanteils – Die räumliche Abgrenzung der Stockwerkeinheiten und die Festlegung der Wertquoten bilden den zwingenden Inhalt des Gründungsaktes eines Stockwerkeigentums (Art. 712d Abs. 2, 712e Abs. 1 und 68 ff. GBV), welcher materiell einem einstimmigen Beschluss gleichzustellen ist. Folglich stellt die Umwandlung von Sonderrechten in gemeinschaftliche Teile oder umgekehrt einen Rechtsakt über die Sache im Sinne von Art. 648 Abs. 2 ZGB dar, die einen einstimmigen Beschluss erfordert. Die Situation unterscheidet sich nicht dadurch, dass die betroffenen gemeinschaftliche Teile bereits Gegenstand von Sondernutzungsrechten sind. Diese können nämlich nur an gemeinschaftlichen Teilen geschaffen werden ; die betroffenen Flächen oder Gebäudeteile bleiben gemeinschaftlich. Darüber hinaus würde die Aufteilung eines Stockwerkanteils in elf neue Anteile zur Schaffung von zehn neuen Stimmen führen, was aufgrund des grundlegenden Prinzips des Stimmrechts pro Kopf einen erheblichen Einfluss auf die Stimmrechte hätte. Eine solche Aufteilung erfordert auch eine Anpassung der Beschreibung der Immobilie und des Aufteilungsplans. Die Tatsache, dass der Vorgang für die Eigentümer, die sich dagegen aussprechen, keine zusätzlichen Kosten verursacht, ist irrelevant. Mangels eines einstimmigen Beschlusses muss die Entscheidung der Versammlung der Stockwerkeigentümer, die solche Änderungen genehmigt, für aufgehoben erklärt werden (E. 3-5)

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Stockwerkeigentum

BGer 5A_967/2022 vom 7. Februar 2024

Stockwerkeigentum; Rechtsmissbrauch und Gleichbehandlung Entscheidungen der StWe; Art. 2 Abs. 2 und 712m ZGB

Rechtsmissbrauch und Gleichbehandlung bei Beschlüssen der Stockwerkeigentümergemeinschaft – Die Mehrheit darf die ihr verliehene Macht im Hinblick auf die gegenläufigen Interessen der Minderheit nicht missbrauchen, indem sie diese ohne sachlichen Grund benachteiligt. Bei ihren Entscheidungen muss die Stockwerkeigentümerversammlung ausserdem den Grundsatz der Gleichbehandlung beachten, der verletzt wird, wenn die Ungleichheit eine erhebliche Schwelle erreicht und nicht durch einen objektiven Grund gerechtfertigt ist.

Im vorliegenden Fall hatten die Parteien in einem gerichtlichen Vergleich aus dem Jahr 2014 verschiedene Verpflichtungen für die jeweils andere Seite vereinbart. Zusammengefasst sollten einige Eigentümer hohe Summen zahlen, um die Fertigstellung ihrer Wohnblöcke zu gewährleisten. Im Gegenzug räumten die anderen Eigentümer ihnen Sondernutzungsrechte an den Dachterrassen des Gebäudes ein und übernahmen die Kosten für die Errichtung von Dachzugängen und Notausgängen sowie für die Bodengestaltung einschliesslich der Vegetation. In diesem Fall sind die Beschlüsse der Stockwerkeigentümerversammlung nicht allein deshalb anfechtbar, weil sich die Eigentümer nicht an die Vereinbarung hielten und entgegen der Vereinbarung abstimmten, da Abstimmungsvereinbarungen nur inter partes wirksam sind. Es liegt jedoch eine offensichtliche Ungleichbehandlung vor, da einige der Verpflichtungen wie vorgesehen in das Reglement der Stockwerkeigentümergemeinschaft aufgenommen und sofort umgesetzt wurden, während andere ohne objektiven Grund nicht umgesetzt wurden (E. 3 und 4).

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Stockwerkeigentum

BGer 5A_61/2023 vom 7. Februar 2024

Stockwerkeigentum; Gerichtsnotorische Tatsachen; Art. 151 ZPO

Gerichtsnotorische Tatsachen – Eine Tatsache, die dem Gericht aus seiner eigenen gerichtlichen Tätigkeit, insbesondere aus früheren Verfahren, bekannt ist, gilt als gerichtsnotorisch im Sinne von Art. 151 ZPO. Für solche Tatsachen ist nicht nur kein über den Gesetzeswortlaut hinausgehender Beweis erforderlich, sondern sie müssen nicht einmal von den Parteien behauptet werden (E. 3).

NB : Die vorangehenden Urteile (5A_21/2023 ; 5A_966/2022 ; 5A_967/2022), sowie das Urteil 5A_63/2023, dessen Inhalt dem vorliegenden Urteil ähnlich ist, betreffen dieselben Parteien, die sich in einem langfristigen Konflikt befinden, der die Gerichte seit nunmehr über 10 Jahren beschäftigt (und das BGer stellt fest, dass jedes Verfahren vor ihm endet). Es ist daher nicht überraschend, dass die verschiedenen Instanzen diesen Hintergrund und die sich daraus ergebenden Fakten auswendig kennen. Willkommen bei der Stockwerkeigentümergemeinschaft !

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Stockwerkeigentum Verfahren

BGer 5A_71/2024 vom 13. März 2024

Stockwerkeigentum; Einberufung der Stockwerkeigentümerversa-mmlung; Art. 647a, 712n ZGB

Einberufung der Stockwerkeigentümerversammlung – Die Versammlung wird grundsätzlich vom Verwalter einberufen (Art. 712n Abs. 1 ZGB). Ein Fünftel der Stockwerkeigentümer kann ihn jedoch auffordern, eine Versammlung einzuberufen ; die betroffenen Stockwerkeigentümer können dies in der Regel nicht selbst tun. Wenn jedoch wie im vorliegenden Fall in der Stockwerkeigentümergemeinschaft kein Verwalter bestellt wurde, ist jeder Stockwerkeigentümer in Analogie zu Art. 647a ZGB individuell und direkt berechtigt, eine Versammlung einzuberufen (E. 4.1).

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Stockwerkeigentum

BGer 5A_97/2022 vom 7. Februar 2024

Dienstbarkeit; Notweg; Bestimmung des dienenden Grundstücks; Art. 694 ZGB

Notweg (Art. 694 ZGB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 2.1). Der Eigentümer, der Zugang zu einem Grundstück erhalten möchte, muss zunächst auf die Instrumente zurückgreifen, die das öffentliche Recht bietet ; Art. 694 ZGB kann nur subsidiär zum Einsatz kommen (E. 2.3.1).

Bestimmung des dienenden Grundstücks (Art. 694 Abs. 2 und 3 ZGB) – Ein Anspruch auf einen Notweg Durchgang muss zunächst gegen den Nachbarn gerichtet werden, von dem der Durchgang aufgrund des früheren Zustands der Grundstücke und der Zufahrtswege am natürlichsten beansprucht werden kann. Bei einer Grundstücksteilung ist dies das andere geteilte Grundstück, das noch über einen Zugang verfügt. Diese Rangfolge wird durch Art. 694 Abs. 3 ZGB relativiert und es kann in zwei Fällen davon abgewichen werden : erstens, wenn die Bau- und Unterhaltskosten unverhältnismässig hoch erscheinen ; zweitens, wenn die Massnahme dem Eigentümer des mit dem ersten Kriterium bezeichneten Grundstücks einen unverhältnismässigen Nachteil zufügen würde und ein anderes Grundstück belasten könnte, indem sie dessen Eigentümer einen wesentlich geringeren Nachteil zufügt (E. 2.3.2).

Im vorliegenden Fall war der Schaden für die belasteten Grundstücke (Kriterium des weniger schädlichen Durchgangs) finanziell geringer als für die aus der Parzellenteilung hervorgegangenen Grundstücke (Kriterium des früheren Zustands der Eigentumsverhältnisse). Zudem führte der erforderliche Durchgang nicht zu einer tatsächlichen Verringerung der Nutzungsmöglichkeiten der belasteten Grundstücke, da nur der Landstreifen belastet war, der als « Versorgungsweg » für die auf dieser Parzelle ausgeübte Tätigkeit diente (E. 2.3.3). Tatsächlich ist es bei gleichem Schaden nicht willkürlich, Parzellen, auf denen bereits ein Weg existiert, gegenüber einer unberührten Parzelle zu bevorzugen (E. 2.3.4).

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Dienstbarkeit

BGer 5A_561/2023 vom 6. März 2024

Eigentum/Besitz; Öffentlichkeit des Grundbuchs; Recht auf Einsicht; Art. 970 ZGB; 26 GBV

Einsicht in das Grundbuch – Ein bedingungsloses, vollständiges Zugangsrecht zum GB analog zum Recht des Eigentümers kann den Erben nur im Rahmen eines ungeteilten Nachlasses gewährt werden (E. 5.1.1). Darüber hinaus muss derjenige, der ein Einsichtsrecht nach Art. 970 Abs. 1 ZGB geltend macht, ein Interesse glaubhaft machen. Nur bestimmte Daten des Hauptbuchs können gemäss Art. 970 Abs. 2 ZGB und Art. 26 ORF auch ohne Nachweis eines solchen Interesses eingesehen werden. Das relevante Interesse ergibt sich aus dem persönlichen, gegenwärtigen und konkreten Nutzen der Person, die den Zugang beantragt. Dieses Interesse kann rechtlicher oder tatsächlicher Natur sein (E. 5.2.1).

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Eigentum/Besitz

BGer 2C_51/2023 vom 21. Februar 2024

Bäuerliches Bodenrecht; Beschwerdelegitimation gegen die Bewilligung zum Erwerb eines Grundstücks oder eines landwirtschaftlichen Betriebs; Art. 61 ff., 83, 88 BGBB

Beschwerdelegitimation bei der Bewilligung zum Erwerb eines Grundstücks oder eines landwirtschaftlichen Gewerbes (Art. 61 ff., 83, 88 BGBB) – Wiederholung der Grundsätze (E. 5.1). Art. 83 Abs. 3 BGBB stellt eine lex specialis zur Generalklausel betreffend die Beschwerdelegitimation vor dem BGer dar ; der Gesetzgeber wollte bewusst den Kreis der Personen einschränken, die gegen die Erteilung einer Bewilligung zum Erwerb von landwirtschaftlichen Grundstücken Beschwerde einlegen können. Der Verkäufer ist nicht berechtigt, gegen die Erteilung der Bewilligung Beschwerde einzulegen, da er kein Interesse daran hat. Dasselbe gilt, wenn er behauptet, beim Vertragsabschluss getäuscht worden zu sein ; in diesem Fall muss er sich auf die Mittel berufen, die ihm das Zivilrecht bietet (E. 5.2).

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Bäuerliches Bodenrecht Verfahren

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